Podcast: In Bewegung

Podcast und Transkript: Unsere Reporterin war beim Protestcamp gegen Tesla im brandenburgischen Grünheide.

Podcast: In Bewegung

Der Podcast „In Bewegung" des Online-Magazins „Neue Zukunft" nimmt euch mit zu den Akteuren der Klimagerechtigkeitsbewegung und taucht ein in ihre verschiedenen Aktionsformen – von Demos über Besetzungen bis hin zu Blockaden. Louisa Theresa Braun, Journalistin in Berlin, spricht mit Aktivist*innen darüber, was sie bewegt und motiviert.


Episodenbeschreibung: Wasserbesetzung gegen Tesla

[Transrkipt weiter unten]

Seit Ende Februar besetzen Aktivist*innen der Initiative „Tesla stoppen" ein Waldstück im brandenburgischen Grünheide, auf dem der US-amerikanische E-Auto-Konzern seine Fabrik erweitern will. Nicht nur Besetzer*innen, sondern auch große Teile der lokalen Bevölkerung wollen das verhindern, da es sich um ein Landschafts- und Wasserschutzgebiet handelt. Weil die Herstellung von E-Autos mit extremer Ausbeutung von Menschen und Natur verbunden ist und die Arbeit im Tesla-Werk mit sehr harten und unsicheren Arbeitsbedingungen. Und weil sie sich unter Verkehrswende etwas anderes vorstellen als elektrifizierte Luxuskarren. 

In einer Besetzung geht es aber nicht nur um den Protest, sondern auch ums Zusammenleben. Ums gemeinsame Essen, um Care-Arbeit und um basisdemokratische Selbstorganisation. Louisa ist für ein paar Tage dabei gewesen und hat mit verschiedenen Aktivist*innen darüber geredet, was das Besondere an der Besetzung als Aktionsform ist und wie sie sich eine bessere und gerechtere Welt vorstellen. 

Transparenzhinweis: Louisa ist für diesen Podcast bewusst tief in die aktivistische Welt eingetaucht und hat mit in der Besetzung gelebt, auch um Einblicke geben zu können, die bei objektiver Distanz so nicht möglich gewesen wären. 

Shownotes:

Überblick: https://www.deutschlandfunk.de/tesla-gruenheide-kritik-berechtigt-100.html#:~:text=In%20einem%20Abwasserbericht%20der%20Fabrik,es%20nicht%20nur%20am%20Wasserverbrauch

Stellenkürzungen: https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2024/04/tesla-gruenheide-stellenabbau-leiharbeiter-400-betriebsrat-elonmusk-brandenburg-absatz-eautos.html

Arbeitsbedingungen: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/tesla-gruenheide-mitarbeiter-arbeitsbedingungen-100.html 

Wasserverbrauch: https://taz.de/Gigafactory-bei-Berlin/!5895938/ 

Gemeinderatsvotum: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/tesla-werk-gruenheide-erweiterung-protest-widerstand-100.html 

Elon Musk' Antisemitismus: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/x-werbekunden-kritik-musk-100.html 

Verwaltungsgerichtsurteil: https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/03/protestcamp-tesla-raeumung-verhindern-gruenheide-erweiterung.html 

Transkript (Automatisch)

In Bewegung 

Hallo, ich bin Louisa, ich bin Journalistin und das hier ist der Podcast “In Bewegung” vom Online-Magazin “Neue Zukunft”.

Ich nehme euch in jeder Folge mit zu einem Akteur der Klimagerechtigkeitsbewegung, mit an die Orte, an denen der aktiv ist und ich höre mir an, welche Aktionsformen die jeweilige Initiative auszeichnet und was das Besondere daran ist.

Das hier ist die erste Folge und die habe ich im brandenburgischen Grünheide aufgenommen, nicht weit weg von Berlin, in der Wald- bzw. Wasserbesetzung gegen Tesla.

Seit zwei Jahren produziert der US-amerikanische E-Auto-Konzern dort rund 300.000 E-Autos im Jahr sowie Teile von Batterien.

Chef Elon Musk möchte seine sogenannte Giga-Factory noch erweitern, um zukünftig mal eine Million Fahrzeuge im Jahr produzieren zu können.

Dafür müssten mehr als 100 Hektar Wald in einem Landschafts- und Wasserschutzgebiet gerodet werden, was auf breite Ablehnung der lokalen Bevölkerung, von Umweltschützenden und Klimaaktivist*innen stößt.

Ende Februar besetzten etwa 80 Aktivist*innen der Initiative "Tesla stoppen" kurzerhand das Waldstück, um das es geht.

Inzwischen haben sie dort knapp 20 Baumhäuser sowie Bodenstrukturen gebaut, wo viele von ihnen nun über längere Zeiträume leben, um sich dem Fabrikausbau in den Weg zu stellen.

Ich bin im April für ein paar Tage dort gewesen und, auch wenn man sich das jetzt vielleicht kaum vorstellen kann, ausgerechnet in dieser Woche war es wahnsinnig kalt.

In meiner ersten Nacht im Baumhaus lagen die Temperaturen bei unter 0 Grad.

Darum drehte sich daher auch mein erstes Gespräch mit meinen Baumhaus-Nachbarn.

“Wie geht es dir denn heute Morgen?”

“Mir geht es eigentlich heute Morgen ganz gut.

Es ist ein bisschen kalt.

Die Nacht war eigentlich wärmer als erwartet, für mich jedenfalls.

Aber dafür finde ich es jetzt ehrlich gesagt so morgens und in den Morgenstunden sehr kalt.”

“Also ich bin auch heute Nacht mehrmals aufgewacht, weil mir so kalt war.

Was ist denn dein Trick, um dich warm zu halten?

Du hast ja schon ein bisschen mehr Erfahrung als ich mit dem Im-Baumhaus-schlafen.”

“Ich glaube, mein Trick ist einfach, einen ziemlich guten Schlafsack zu haben.

Ja, und dann einfach mehrere Schichten Jacken, dicke Socken.

Dicke Socken, dicke Socken ist der Trick.”

“Vielleicht willst du mir noch ein paar Worte dazu sagen, was so deine Motivation ist, um diesen Wald zu besetzen?”

“Wir besetzen diesen Wald hier, um die Abholzung dieses Walds zu verhindern, weil Tesla hier seine Gigafactory erweitern möchte.

Und deswegen sind wir hier, um diesen Wald zu schützen.”

Zu weiteren Gründen, aus denen die Aktivist*innen gegen Tesla kämpfen, kommen wir später.

Nun bin ich erstmal weitergezogen zur Mahnwache.

Ein paar Minuten Fußweg von der eigentlichen Besetzung entfernt, an einer Straße und am  Bahnhof Fangschleuse gelegen.

Die meisten Besetzungen haben eine solche Mahnwache, bei der es sich in der Regel um einen legalen, bei der Polizei angemeldeten Ort handelt.

Deswegen steht die auch rund um die Uhr mit mehreren Beamt*innen und Polizeiautos auf der anderen Straßenseite.

Die Mahnwache ist einerseits eine Art Kontaktstelle zur Außenwelt, andererseits soll sie die Besetzung auch vor wenig wohlwollenden Besucher*innen warnen.

Das können zum Beispiel Polizist*innen sein, die zu unangemeldeten Kontrollen kommen.

Deshalb wird die Mahnwache Tag und Nacht besetzt.

Als ich dort gegen 8 Uhr morgens ankam, beendeten John und Carly gerade ihre Nachtschicht.

“Wie war denn eure Schicht und wie geht es euch heute Morgen?”

“Ja, unsere Schicht war soweit ruhig.

Es war relativ kalt diese Nacht, aber man hat so Tee und Wärmeflaschen zur Aufwärmung.

Also ich mag eigentlich Nachtschichten.”

“Also ich tau gerade ein bisschen auf.

Ja, aber ich finde die Nachtschicht eigentlich auch sehr entspannt.

Es ist immer ein bisschen anstrengend so früh aufzustehen, aber viele Arbeiter*innen, die auch zur Morgenschicht kommen, die wir auch begrüßen und versuchen auch mit denen zu interagieren.

Ja, doch.”

“Ja, man hat gerade schon gesehen, dass hier ganz viele Leute vorbeigelaufen sind.

Das waren wohl Menschen, die im Tesla-Werk arbeiten.

Wenn ihr das jetzt schon öfter gemacht habt, gab es da auch schon Kontakt oder irgendeine Form von Austausch?

Kannst du davon mehr erzählen?”

“Also ich hatte schon mit mehreren Personen gesprochen.

Ja, wenn die jetzt hier so auf dem Durchlauf sind, der Bus kommt auch immer relativ schnell.

Da ist es nicht so einfach, eine Konversation anzufangen, aber teilweise sind wir schon auch in Kontakt mit denen.

Und soweit ich das mitbekommen habe, bis jetzt haben sie sich immer so positiv uns gegenüber ausgedrückt.

Also irgendwie unterstützen sie es schon.

Ich glaube, viele verstehen noch nicht ganz, was wir hier machen.

Sieht halt auch nach einem Random Camp so aus.”

“Ja, ich hatte auch schon Kontakt zu Mitarbeiter*innen hier von Tesla.

Ein Mensch hat aber auch ausgedrückt, dass der ebenfalls so Natur mag und unterstützen möchte.

Aber dachte auch erst mal, wir sind vielleicht gegen die Mitarbeiter*innen.

Aber dann sind wir ins Gespräch gekommen und ich denke, es ist dann auch klar geworden, dass wir eben solidarisch mit den Mitarbeitenden sind.

Und wir wollen nicht, dass irgendwelche Mitarbeiter*innen jetzt ihre Jobs verlieren.”

“Wenn ihr gar nicht wollt, dass Tesla seine Erweiterung schafft oder wenn ihr eigentlich wollt, dass es das Tesla-Werk hier gar nicht gibt.

Was sollte denn dann passieren mit den Mitarbeitenden?”

“Ich habe bis jetzt keine Person getroffen, die wirklich zufrieden ist mit der Arbeitssituation.

Also es sind schon krasse Arbeitsbedingungen, die die da haben.

Und das ist halt oft auch aus einer Notsituation heraus kommt, dass man halt irgendwie arbeiten muss.

Ja, ich hätte bis jetzt noch nicht so die Sorge mitbekommen, dass sie irgendwie Angst hätten, dass sie durch uns ihren Job verlieren.

Also ich hätte da bis jetzt noch kein Gespräch dazu, mehr über die Arbeitsbedingungen und das hört sich nicht so schön an.”

Tatsächlich ist es gerade Elon Musk selbst, der wegen schwächelnden Absatzes weltweit 14.000 Stellen streichen möchte.

In Grünheide sollen 400 Mitarbeitende entlassen werden.

Die schlechten Arbeitsbedingungen hat auch die Gewerkschaft IG Metall schon angeprangert.

Es geht um eine extrem hohe Arbeitsbelastung und um gravierende Mängel bei Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit, die zu Krankenständen von rund 30 Prozent und einer hohen Zahl von Arbeitsunfällen führen.

Aber auch die Abneigung von Elon Musk gegen Gewerkschaften ist bekannt.

Schon häufiger wurden Mitarbeitende, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzten, einfach entlassen.

Nach meinem Ausflug zur Mahnwache, an der sich übrigens auch die Küche befindet, in der gekocht wird, gab es dann Frühstück.

“Es ist inzwischen relativ warm geworden und ich sitze hier mit Mara beim Frühstück.

Vielleicht kannst du mir mal ein bisschen erzählen, was wichtig ist, wenn man in einer Waldbesetzung für so viele Menschen, teilweise über 50 Menschen, kocht und worauf ihr ganz besonders achtet.”

“Das Porridge nicht anbrennen lassen.

Das ist ganz wichtig.

Immer rühren.”

“Das sieht ein bisschen zu dunkel aus hier.” 

“Ja, ja.

Nein, es ist natürlich einfach für mehr Menschen kochen.

Es ist immer schön, wir leben hier in Gemeinschaft.

An sich kochen wir nur vegan oder wenn vegetarisch, dann ausgeschildert.

Viele Menschen hier essen nur Sachen, wenn sie zum Beispiel containert oder gerettet sind, beziehungsweise wenn sie nicht auf dem kapitalistischen Markt erworben wurden mit Geld.

Ich glaube, das ist irgendwie was Wichtiges, dass wir sehen, dass dieses System, wogegen wir hier kämpfen, wogegen wir hier protestieren, dass das halt alle Bereiche unseres Lebens irgendwie eingenommen hat.

Also von der Art und Weise, wie wir essen bis zu der Art und Weise, wie wir uns fortbewegen.

Wir sind hier gegen E-Autos, aber diese Profitlogik, die zum Beispiel,... nur, weil hier Podcast - falls gerade ein bisschen Geklapper gehört wird, es läuft gerade Polizei unter uns vorbei.

Es ist auch eine ganz gemütliche Morgenatmosphäre.

Genau, auf jeden Fall überall das gleiche doofe System…”

Ich hatte ja schon gesagt, dass die Polizei ab und zu Kontrollen macht und das war auch an diesem Morgen der Fall.

Rund zehn Beamt*innen liefen durch die Besetzung, sahen sich die Baumhäuser genau an und fotografierten sie zum Teil auch.

Die Aktivist*innen vermuten, dass sie nach Gründen suchen, um dem Baumhausdorf seine Genehmigung entziehen zu können.

Zum Beispiel mangelnder Brandschutz oder Gefährdung des Waldes.

Diesmal hatten sie aber nur ein Zelt gefunden, das etwas außerhalb des offiziellen Versammlungsgebietes stand und umgesetzt werden sollte.

Nun zurück zum Frühstück mit Mara.

“Das halt zum Beispiel einerseits irgendwie Edelmetalle in grenzenloser Profitgier aus dem globalen Süden holt, wie es irgendwie riesige industrielle Massentierhaltung baut.

Wir sehen das zum Beispiel, wir sehen das in der Art und Weise, wie wir konsumieren, wie wir essen, welche Produkte uns den ganzen Tag gesagt werden, dass wir sie brauchen.

Und deswegen entscheiden sich Leute zum Beispiel auch diese Produkte nicht zu nutzen, also zum Beispiel kein Fleisch zu essen.

Aber da stehen zu bleiben bringt halt auch nichts.

Es ist wichtig, um konsequent zu sein, glaube ich, dass man auch überall in seinem Leben erkennt, wo zum Beispiel diese Produkte aus Ausbeutung vorkommen.

Aber ich glaube, man sollte sich keine Illusion machen, dass man die Welt rettet, nur wenn man die weglässt.

Das muss verbunden sein mit einem größeren politischen Kampf.”

“Alles klar, ich verstehe.

Also es geht nicht darum, diesen individualistischen Aspekt groß zu halten, so von wegen, ich esse jetzt vegan und fahre nicht mit dem Auto und dann ist mein Teil getan.

Aber es sollte quasi Bestandteil eines größeren Kampfes um Klimagerechtigkeit sein, der auch das Zusammenleben dann hier wahrscheinlich prägt.”

“Ja, wir sind, glaube ich, Leute lieber, die nicht vegan essen, aber dafür sehr viel politisch aktiv sind, als Menschen, die sich irgendwie zum Beispiel alle möglichen veganen Produkte leisten können.

Aber deswegen versuchen wir hier auch, das so inklusiv wie möglich zu gestalten, auch so wenig Geld wie möglich zu benutzen.

Ich glaube, das ist auch so ein großer Punkt.

Also wir finanzieren uns auch über Spenden, auch zum Beispiel das Essen, aber dass wir auch viel davon auch ohne Geld besorgt kriegen, dass wir auch in der Lage sind, dadurch irgendwie Menschen zu ernähren, ohne dass sie sehr viel Geld brauchen, um hier zu sein.

“Also quasi durch Foodsharing und Containern, das sind so die Hauptessensquellen.”

“Ja, genau, und Spenden, was Leute so mitbringen und dadurch ja auch irgendwie so ein bisschen so eine solidarische Umverteilung, weil Leute halt zum Beispiel hier sein können und wenn sie gar kein Geld haben, auch gar kein Geld ausgeben und trotzdem hier leben können.

Wir zahlen ja offensichtlich keine Miete an Tesla dafür, dass wir in den Baumhäusern sind.

Und auch fürs Essen muss man kein Geld zahlen, wenn man hier einfach nur isst, aber natürlich gibt es irgendwo an anderen Stellen wieder Leute, die bereit sind, zum Beispiel dafür Geld auszugeben.”

Nach dem Essen habe ich mich dann zum Spülen gemeldet und mich mit meinen Mithelfer*innen über Care-Arbeit in der Besetzung unterhalten.

“Stört euch das eigentlich, dass man hier auch spülen muss?

Also man stellt sich ja Aktivismus ja ein bisschen spannender vor, sitzt man den ganzen Tag auf dem Baum und ist unglaublich militant und tatsächlich steht man hier dann stundenlang und spült Geschirr oder rührt irgendwie in den Töpfen rum.

Ist das nicht auch ein bisschen doof oder nervig?”

“Ich würde sagen, klar nicht.

Also ich meine, es geht ja auch in der Besetzung nicht nur um die Militanz, sondern irgendwie in der Form von Zusammenleben und irgendwie so einer… Utopie aufbauen oder irgendwie versuchen…”

“Alles ist politisch und Spülen ganz besonders.”

“Genau eben.”

“Ich wollte gerade sagen, der Alltag ist politisch.

Das fängt halt beim Spülen, Aufräumen, so… jede Person kann vielleicht sehen, wo was zu tun ist, so fängt es ja auch schon an.

Deswegen ist Spülen auch politisch!”...

Tatsächlich gibt es in so einer Besetzung ganz schön viel zu tun, um sie am Leben zu erhalten.

Ein großer Teil der beiden Plena, die täglich morgens und abends stattfinden, besteht darin, Aufgaben zu verteilen.

Von Care-Arbeit wie Kochen, Spülen und Kompost-Toiletten putzen über sicherheitsrelevante Aufgaben wie Nachtschichten oder Kommunikation mit der Polizei bis hin zur Awareness, was zum Beispiel Konfliktlösung bei sexistischen oder rassistischen Vorfällen meint.

Andere bauen neue Baumhäuser, bringen sich gegenseitig Klettern bei oder organisieren Workshops zu verschiedenen politischen Themen.

Kurz, die meisten Menschen in der Besetzung sind von morgens bis abends ziemlich auf Trab.

Ronja und Rauke haben sich zwischendurch trotzdem Zeit für ein Interview mit mir genommen.

Eigentlich heißen sie anders, aber die meisten Menschen stellen sich in Besetzungen nur mit einem Pseudonym vor und verschleiern ihre wahre Identität.

Denn Besetzungen sind oft nicht legal.

Die in Grünheide hat aktuell eine Genehmigung, das könnte sich aber noch ändern und dann würden sich alle Besetzer*innen womöglich strafbar machen.

Ronja erklärt das so:

“Wenn der Staat irgendwann merkt, er kommt nicht mehr weiter, dann wendet er Repressionen an.

Und um einen Widerstand gegen diese Repression, die staatlich und justiziell, auch wenn man nichts Schlimmes macht, kommt, zu haben, ist das ein sehr gutes Mittel gewesen.

Dadurch, dass die letztendlich von den meisten nicht die Identität wissen, kann man sehr lange klimaaktivistisch tätig sein, ohne dass man irgendwann ins Gefängnis kommt.

Sonst summiert sich das auf und dann sagen die irgendwann schon wegen einer Kleinigkeit, dass man ins Gefängnis muss, weil sie merken, dass man sich nicht an die von ihnen gewünschte Rechtsstaatlichkeit hält.”

“Könnt ihr sagen, warum ihr entschieden habt, hierher zu kommen?

Also warum das jetzt das Richtige ist, ausgerechnet gegen Tesla zu kämpfen, der ja schließlich E-Autos herstellt, dieser Konzern?”

“Einerseits werden Menschen arbeitsträftetechnisch wahnsinnig ausgebeutet, haben keine richtigen, guten Verträge.

Es gibt jetzt auch Entlassungen und andererseits gibt es ja einfach wissenschaftliche Belege, dass E-Autos gerade in der Herstellung wahnsinnig kostenaufwendig sind, dass es wahnsinnig viel seltene Erden braucht, wo Menschen in anderen Ländern dafür ausgebeutet werden, wo Natur auch in anderen Ländern zerstört wird.

Das heißt, für mich ist ein E-Auto keine grüne Lösung, sondern grüner Kapitalismus.”

“Die Besetzung nennt sich ja eigentlich Wasserbesetzung statt Waldbesetzung.

Also es gibt ja auch einen ganz lokalen Grund dafür, warum Tesla hier nicht seine Erweiterungsfabrik bauen sollte.

Vielleicht kannst du dazu was sagen noch?”

“Die Fabrik befindet sich auf einem Grundwasserschutzgebiet und die Region hier ist halt auch eine der trockensten Regionen in Deutschland.

Und schon jetzt verbraucht die Tesla-Fabrik eben enorme Massen an Grundwasser, die eigentlich der Bevölkerung hier zustehen sollten.

Aber die Fabrik darf sich jetzt scheinbar trotzdem noch erweitern und würde im Zuge dessen nochmal, glaube ich, so viel Grundwasser wie eine kleine Stadt quasi im Jahr verbrauchen, was halt in dieser ländlichen Region irgendwie schon enorme Unterschiede macht.”

Teslas Wasserbedarf wird übrigens mit 1,4 Millionen Kubikmeter pro Jahr beziffert.

Das entspricht schon jetzt einer 30.000-Einwohner-Stadt.

Und ja, obwohl Brandenburg voller Seen ist, ist es trotzdem eines der trockensten Bundesländer, weshalb es dort auch oft zu gefährlichen Waldbränden kommt.

Wald abholzen, den Boden versiegeln und noch mehr Grundwasser entnehmen, sind dafür aber keine Lösung.

Zurück zum Interview.

“Mein Eindruck ist, dass es bei so einer Besetzung ja in der Regel gar nicht mal nur so sehr um das Bauprojekt geht, gegen das in der Regel gekämpft wird, sondern auch um das Zusammenleben an sich, weil man könnte auch auf ganz viele andere mehr oder weniger legale oder militante Weisen dagegen protestieren.

Die gibt es ja auch, hier zum Beispiel mit der Bürgerinitiative oder eine militantere Aktion war der Anschlag der Vulkangruppe.

Warum habt ihr euch jetzt bewusst für diese Aktionsform der Besetzung entschieden oder warum haben sich die Aktivist*innen hier für die Besetzung entschieden und was ist das Besondere daran?”

“Für mich persönlich ist das irgendwie auch ein sehr zugänglicher Ort.

Also ich kann da hinkommen, ich kann mir das angucken, ich kann schauen, ob das für mich passt und dann bleibe ich entweder oder ich bleibe nicht.

Es ist halt grundsätzlich offen für alle und ich finde Besetzung an sich ist auch eine schöne Protestform, weil es eben nicht nur um die Besetzung selbst geht, sondern es ist auch gleichzeitig so ein bisschen ein Experimentierfeld, was es für alternative Formen des Zusammenlebens, des gesellschaftlichen Zusammenlebens geben könnte.

Ich denke, da werden eben viele Sachen in Richtung Anarchismus auch ausprobiert oder basisdemokratische Prozesse.

Hier werden Menschen auch dabei supportet, dass sie Verantwortung übernehmen und dass es auch nicht schlimm ist, wenn mal was schief geht.

Und ich finde, dass der Zusammenhalt dadurch irgendwie gestärkt wird und ich zumindest sehr schnell eine Bindung zu diesem Ort auch aufgebaut habe, eine emotionale.”

Ronja hat noch ein ganz konkretes Argument für diese Besetzung genannt, nämlich den, dass es hier einen starken Rückhalt der Bevölkerung gibt.

“Es kommt eine Bürgerinitiative, das heißt Menschen, die aus der Region sind, also ein kommunaler Kampf mit einem Arbeitskampf zusammen, einfach dadurch eine wahnsinnige Ausstrahlung hat.

Das ist der eine Punkt, weshalb ich denke, dass diese Besetzung gut ist.

Ich glaube, es macht keinen Sinn, Sachen zu besetzen, wo es keine Bürgerinitiative gibt, wo es keinen Rückhalt in der Bevölkerung gibt.

Die Besetzung ist deswegen für mich auch einfach eine demokratische Besetzung, weil 60 Prozent der Bürger*innen sich dagegen ausgesprochen haben.

Die Politik und auch die Tesla-Führung dann gesagt haben, das machen wir trotzdem, also die tatsächlich da nicht auf den Willen der Bevölkerung gehört haben.

Und deswegen man dann eine starke Zivilgesellschaft als Korrektiv braucht, um gegen grünen Kapitalismus vorzugehen.”

Im Februar gab es in Grünheide eine Einwohnerbefragung darüber, ob Tesla sein Werksgelände um weitere 120 Hektar erweitern soll.

Mit über 60 Prozent gab es ein ganz klares Votum dagegen.

Nur ist das leider nicht bindend.

Und in der Zwischenzeit hat der Gemeinderat von Grünheide sich einfach trotzdem für den Tesla-Ausbau entschieden.

Das stand zu dem Zeitpunkt, als ich in der Besetzung war, noch nicht fest.

Mitte Mai stimmte die Mehrheit des Gemeinderats für einen etwas abgeänderten Bebauungsplan, laut dem jetzt nur noch rund 50 Hektar Wald gerodet werden sollen.

Die Bürgerinitiative "Tesla den Hahn abdrehen" spricht von einem herben Schlag für den Wasserschutz und für die Demokratie.

Der Rückhalt der Bevölkerung ist für eine Besetzung übrigens auch deswegen wichtig, weil ohne die Unterstützung solidarischer Anwohner*innen vieles gar nicht funktionieren würde.

Sie helfen oft mit ganz praktischen Dingen aus, kümmern sich um einen Wasseranschluss, nehmen den Müll mit oder waschen die Wäsche.

Eine weitere Besonderheit von Waldbesetzungen nennt Ronja sie seien “Auch ein Ort, wo man sich ermächtigen kann.

Und das ist für mich das große Potenzial daran.

Friday for Future, die drei Jahre lang an die Politik appelliert haben und es hat sich nichts verändert, haben alle irgendwann, oder nicht alle, aber viele irgendwann den Schritt gemacht:

Na gut, dann gehen wir jetzt in die Wälder und führen die Kämpfe mit zivilem Ungehorsam, weil der Kapitalismus sich nicht ändert über demokratische Mittel derzeit.”

“Was ich mich eben gefragt habe, ist, ob so Besetzungen eben der Versuch sind, die Utopie, die man hat, die Art und Weise, wie man sich eine bessere Welt vorstellt, das einfach schon jetzt zu leben?

Zum Beispiel, indem Geld, Arbeit, Miete keine Rolle spielen, sondern man sich um die zum Überleben wichtigen Dinge gemeinsam kümmert?

Nehme ich das richtig wahr?”

“Ich glaube, es ist auch immer cool zu sehen, es gibt etwas, was gerade dringend gebraucht wird und ich kann da jetzt meinen Teil dazu beitragen.

Ich mache etwas Nützliches, also das ist ja auch voll befriedigend einfach.

Und dass in solchen Konzepten des Zusammenlebens halt mehr auf die Freiwilligkeit vertraut wird, weil das halt eigentlich auch was ist, was uns Menschen glaube ich glücklich macht und nicht davon ausgegangen wird, wir müssen jetzt ganz viele Regeln und Verpflichtungen aufstellen.”

Die Freiwilligkeit bezieht sich zum Beispiel darauf, dass auch unbeliebte Spül- oder Nachtschichten gefüllt werden.

Es gibt keine Verpflichtung, zum Beispiel mindestens einmal die Woche mitten in der Nacht an der Mahnwache zu sitzen.

Und es dürfen auch Menschen in der Besetzung leben, die sich gar nicht einbringen.

Aber funktionieren tut es nur, weil Menschen sich freiwillig einbringen.

“Wie sähe denn eure persönliche Utopie aus?

Wie würdet ihr denn gerne leben, auch außerhalb von einer Besetzung?”

“Ich glaube, für mich braucht es auch wie in einem Wald mehr Mitbestimmung, auch vielleicht eine Umverteilung, eine radikale, dass einfach Menschen mehr haben, weil das ist natürlich im Wald auch hier das Problem, dass du eine Utopie hast,

aber manche Menschen nicht teilnehmen können, weil sie in Lohnarbeitszwängen sind, weil sie sich da vielleicht nicht freischaufeln können.

Das heißt, das müsste auf jeden Fall passieren in meiner Utopie, dass die Menschen versorgt sind.

Wir haben enorme Produktivität gewonnen die letzten 100 Jahre und arbeiten trotzdem noch gleich viel wie vor 100 Jahren und werfen dafür mehr weg oder mehr Gewinn geht an die Besitzenden.

Von daher würde ich sagen, müssten wir alle in meiner Utopie weniger arbeiten.

Es gäbe ein bisschen weniger Luxus, sodass es ökologisch verträglich ist, aber dafür hätten die Menschen mehr qualitative Zeit, könnten sich miteinander treffen, könnten soziale Sachen machen, wären vernetzter.

Es gäbe Häuser, die unten Räume haben für die Gemeinschaft und nicht jeder wäre komplett in seiner Wohnung.

Es würde zum Beispiel auch einfach für alle gekocht werden in einem Haus, sodass nicht jede Person irgendwie selber für sich kochen muss oder für die Kinder und die Familie, je nachdem wer das dann macht.

Es würde sicher auch geschaut werden, dass die rassistischen und sexistischen Zustände sich verändern durch neue Strukturen, durch überlegen, wie kann man das überwinden.

Und sowas wird im Wald schon viel diskutiert, wird viel über Care-Arbeit geredet, wer die macht.

Da sind solche Projekte auf jeden Fall auch Utopien, auch wenn es immer umkämpft ist.”

“Ich glaube eben auch, dass nicht dazu verpflichtet zu sein, so viel zu arbeiten, ist auch ein extrem wichtiger Punkt zur Überwachung der demokratischen Prozesse.

Weil ich habe halt das Gefühl, wenn alle in ihren 40-Stunden-Wochen hängen, ich habe auch selber die Erfahrung, dann habe ich einfach keine Zeit mehr, mich mit politischen Prozessen auseinanderzusetzen.

Ich kriege vielleicht gar nicht mit, dass eben hier eine Tesla-Erweiterung stattfinden soll, die gegen den Bürgerentscheid spricht.

Das sind halt Sachen, die entgegen der Demokratie passieren und nicht rechtens sind.”

“Ich hätte noch eine kleine Utopie zu Tesla.

Also man müsste wahnsinnig viel neuen Nahverkehr aufbauen, das heißt Schienennetze.

Und dazu braucht man auch wahnsinnig viele Menschen, die das umbauen.

Das heißt, die ganzen Arbeiter von Tesla könnte man brauchen, weil sie Ahnung von Metallverarbeitung, von diesen Prozessen haben, um neue Züge und Straßenwaggons zu bauen.

Was dann ja auch staatliche Stellen wären, wo nicht die Gefahr ist, wie ja der Trend seit Jahren ist, dass das ins Ausland auswandert, sondern die Menschen hätten hier vor Ort Arbeit.

Das heißt, meine Idee wäre eine Konversion der Tesla-Fabrik in eine Straßenbahnfabrik oder in eine Zugfabrik.

Und so könnte man dem entgegenwirken, mit den Arbeitern zusammen, mit einer ökologischen Zukunft.

Das wäre meine Mini-Utopie, was hier raus entstehen könnte.”

“Ja, genau.

Und gleichzeitig das Unternehmen vergesellschaften, das abgekapselt ist, auch von dem Unternehmen Tesla, von Elon Musk, der einer der gefährlichsten und einflussreichsten Menschen im Moment auf diesem Planeten ist.

Das, finde ich, ist auch ein wichtiger Punkt, dass wir nicht mit solchen gefährlichen, faschistischen Menschen zusammenarbeiten und denen noch alles zuschieben, was der Bevölkerung eigentlich genommen wird.”

Eine kleine Anmerkung zu der Bezeichnung "faschistisch".

Tatsächlich ist Elon Musk auf der Plattform X, ehemals Twitter, die ebenfalls ihm gehört, immer wieder damit aufgefallen, dass er rechte und antisemitische Beiträge geteilt hat.

Ende 2023 schrieb er, es sei "die Wahrheit, dass jüdische Organisationen Hass gegen Weiße verbreiten würden".

Daraufhin wurde er sogar vom Weißen Haus für die Unterstützung von Antisemitismus kritisiert.

Dass er antisemitischen, rassistischen und zum Teil auch Inhalten mit Nazi-Codes auf X zu viel Spielraum lässt, wird ihm schon lange vorgeworfen.

Viele Firmen schalten deswegen schon keine Werbung mehr auf X.

Im Interview mit Ronja und Rauke wollte ich nun aber nochmal auf die Kehrseite von Waldbesetzungen zu sprechen kommen.

“Du hast ja gerade auch schon angesprochen, Ronja, es ist eine Form von Aktivismus, die sich nicht jeder leisten kann, wenn man die Zeit nicht hat oder an Schule, Studium, Job gebunden ist.

Bei einer Demo kann man einfach hingehen und anschließend wieder nach Hause gehen.

Diese Form von Aktivismus macht natürlich auch nur Sinn, wenn man sich Tage oder Wochen dafür nehmen kann.

Und ich frage mich, ob es nicht auch unbefriedigend ist für die Leute, die länger hier sind, weil das so unecht ist.

Weil drumherum geht der Kapitalismus weiter und es funktioniert natürlich auch nur deswegen, weil Leute vielleicht Geld haben und auch mal irgendwie einkaufen können.

Ja, und letztendlich ist es ja vermutlich auch zeitlich begrenzt.

Bislang sind alle Besetzungen auch früher oder später geräumt worden.

Alles, was hier in sehr langer und mühsamer Arbeit aufgebaut wurde, wird absehbar auch wieder zerstört werden.

Wie geht es euch denn damit?”

“Ich glaube auch, dass es ein Punkt ist, wieso es eben auch okay ist, dass es hier eine parallele Realität ist und dass die Welt da draußen natürlich weitergeht.

Aber ich glaube, hier ist es möglich, eine relativ große Reichweite zu haben in die Welt da draußen.

Und das ist halt irgendwie auch schön und befriedigend.

Weil wenn du in der Welt da draußen bist und da mit ganz vielen Dingen unzufrieden bist, dann ist es manchmal gar nicht so einfach, so eine Reichweite zu haben, wie es vielleicht hier auf einer Besetzung ist.”

Was ein Ende der Besetzung angeht, beziehungsweise eine mögliche Räumung durch die Polizei, da ist Ronja bislang ganz optimistisch.

“Wie es bis jetzt gelaufen ist, ist ja fast schon magisch.

Es gibt eine Bürgerinitiative, 60 Prozent der Leute sind gegen die Gigafactory.

Dann hat die IG Metall, die davor keinen nennenswerten Anteil hat, auf einmal Stimmen, die auch dafür sind.

Das ist die größte Fraktion.

Dann wollen sie das Camp räumen und das Gericht entscheidet dagegen.

Also bis jetzt wurden wahnsinnig viele Kämpfe gewonnen und das macht natürlich Hoffnung.

Und das ist auch das, dass man rauskommt aus dem "Wir werden das Klima eh nicht retten, weil es sieht gerade nicht gut aus auf der Welt."

Aber zumindest kann man kämpfen und dann entsteht vielleicht ein bisschen Hoffnung, genau, wenn Kämpfe gewonnen werden.

Und das macht manchmal auch echt ein bisschen glücklich, wenn man solche Sachen hört.”

Wie gesagt, wussten die Besetzer*innen im April noch nicht, dass Grünheides Gemeinderat den Tesla-Ausbau einige Wochen später beschließen wird.

Bis dahin konnte man wirklich von einem großen Erfolg der Besetzung sprechen.

Brandenburgs Polizeipräsidium wollte die Besetzung Anfang März eigentlich schon räumen.

Das heißt, es wollte, dass die Baumhäuser beseitigt werden und argumentierte, daran herumzuklettern sei zu gefährlich.

Die Aktivist*innen gingen gerichtlich gegen diese Auflage vor, weil die Baumhäuser nun mal elementarer Bestandteil ihrer Aktionsform sind.

Sie haben vom Verwaltungsgericht in Potsdam Recht bekommen und die Genehmigung für das Baumhausdorf ist sogar noch mehrmals verlängert worden.

Genau wie eine Demonstration gilt eine Besetzung als Versammlung und ist somit grundgesetzlich geschützt.

Nichtsdestotrotz hat die Polizei natürlich in einem Punkt recht.

Hoch oben in den Bäumen herumzuklettern ist nicht ungefährlich.

Das wissen die Besetzer*innen natürlich selbst.

Deswegen trainieren sie das auch und ich habe mit zweien von ihnen darüber gesprochen.

“Ich habe jetzt gerade Taste und Soll dabei beobachtet, wie sie sich gegenseitig abgeseilt haben von einem Baumhaus.

Wie funktioniert das und was ist dabei wichtig oder warum ist es wichtig, das zu können in einer Waldbesetzung?”

“Also im Grunde funktioniert die Seilhaltung.

Das ist es nämlich, so, dass man erstmal zu der sogenannten HiloPe, das ist die hilflose Person, hinklettert.

Und dann im Grunde die Person an sich selbst sichert, aushebelt und dann zusammen abseilt.

Und das ist wichtig, dass man das kann und vor allem auch schnell kann.

Weil wenn man zu lange im Seil hängt, kann das zu einem Phänomen kommen, das Hängetrauma heißt.

Und das kann eintreten ab so 15 Minuten im Seil bewegungslos hängen und das kann zum Tod führen.

Und deshalb müssen wir selbst retten können, weil wir nicht darauf verlassen können, dass so Krankenwagen oder sowas uns innerhalb von einer Viertelstunde aus dem Seil heraus bekämen.”

“Vielleicht könnt ihr nochmal sagen, wie oft das vorkommt, dass ihr hier im Wald Leute abseilen müsst?

Und ob es da auch schon zu gefährlicheren Situationen gekommen ist?”

“Zum Glück relativ selten, dass es passiert außerhalb des "Wir trainieren das jetzt".”

“Also was halt manchmal vorkommt, ist dass Menschen einfach ein bisschen überfordert sind und sich dann nicht mehr zutrauen runterzuklettern.

Aber das ist dann eigentlich ganz entspannt.

Also im Grunde hilft man den Personen dann nur runter zu kommen, indem man sich zusammen abseilt.

Und das ist keine Notfallsituation.

Aber es kann natürlich trotzdem immer zu Notfallsituationen kommen.

Und wenn es dann zu so einer Situation kommt, ist man lieber gut vorbereitet.”

“Insgesamt ist so eine Waldbesetzung ja auch eine eher riskante Aktionsform im Vergleich zu anderen Protesten, wo man auf dem Boden bleibt.

Wenn man sich jetzt vergleichbare Situationen vorstellt beim Bergsteigen oder in Kletterhallen, da bräuchte man ja eigentlich auch erstmal einen Schein, um überhaupt so hoch zu dürfen.

Und hier ist das ja recht niedrigschwellig.

Man skillshared sich gegenseitig und dann ab geht's auf die Bäume.

Vor dem Hintergrund ist es wahrscheinlich noch wichtiger, dann so auf Sicherheit zu achten oder aufeinander aufzupassen, oder?”

“Ja, voll.

Und es ist auch so irgendwie eine Schwierigkeit, diesen Sicherheitsaspekt abzuwägen gegen so anarchistische Ideale.

Also wir schreiben den Menschen nichts vor.

Und wir versuchen irgendwie, unsere Klettersicherheit möglichst hoch zu halten und den Menschen so nahezulegen, wirklich erstmal ein ordentliches Skillshare zu machen, bevor man hochklettert.

Aber wir verbieten natürlich keinen  Menschen hochzuklettern.”

“Gibt es noch irgendwas, was ihr loswerden wollt zum Thema Klettern?”

“Klettern macht total Spaß.

Und es ist unglaublich schön, in den Bäumen zu sein, zu merken, wie sich die Bäume bewegen.

Es ist was ganz Tolles, Besonderes.

Auch Baumhäuser sind super cool.

Komm vorbei, lern Klettern.”

Ich kann das übrigens bestätigen.

Ich habe nämlich ein Kletterskillshare mitgemacht und bin anschließend zum Üben einfach mal auf eines der höchsten Baumhäuser geklettert, das Robin Wood genannt wird.

Die Aussicht war wirklich der Hammer.

Eine nochmal ganz andere Perspektive auf die Besetzung haben die Künstlerinnen Helga und Saxana.

Das Paar geht immer wieder in Besetzungen oder auch in ungehorsame Klimaaktionen mit Leinwänden, Pinseln und Farbe im Gepäck und malt dann vor Ort, was passiert.

Ich habe sie nun in Grünheide getroffen, wo sie die Baumhäuser malten, den Wald oder auch ein Tesla-Auto.

Saxana erzählte mir erstmal, was sie eigentlich sieht.

“Der Frühling kommt, es sprießt auch überall kleine Eichenbäume.

Es ist nicht nur hier der Nadelwald und es ist nicht nur Monokultur.

Hier gibt es so viele kleine Wesen, Nachtfalter habe ich schon gesehen, Fluginsekten und Ameisen, die auf dem Baumstamm hin und her wandern.

Das sieht man auch hier und da in den Bildern.

Ich versuche da immer sehr authentisch auch zu sein.

Ich male auch die Menschen mit ins Bild, also nicht nur Natur und Baum, sondern ich male auch die Baumhäuser, ich male auch den Klimaschutz.

Das möchte ich alles wiedergeben in meinen Bildern.

Ich habe jetzt hier auch kleinere Skizzen gemacht von dem neuen Tesla-Auto, was tatsächlich Sauron 09 heißen soll.

Und das sind ja keine, wie man so früher geträumt hat, irgendwann kommt das 3-Liter-Auto raus und dann fahren wir umweltbewusst.

Nein, nein, nein, das hier ist nichts 3 Liter.

Hier sind richtig fette SUV am Start, Luxury mit gepanzert und die Schwere, was ist, Masse muss bewegt werden.”

“Es ist ein Luxusprodukt.”

“Ja.”

“Ich hörte jetzt schon verschiedene Sachen raus von dem, was du gesagt hast.

Einmal so die Bewunderung der Natur und der Umgebung, was ja wahrscheinlich für viele Künstler*innen der Geschichte und der Gegenwart so eine besondere Inspiration ist.

Und das andere, das ist ja jetzt nicht die erste Waldbesetzung, die ihr besucht, sondern du hast ja schon ein bisschen Erfahrung damit.

Und ich glaube, du definierst dich auch als Aktivistin, oder?

Du gehst oft in solche aktivistischen Kontexte und malst dort.

Ist diese Kunst auch eine Form von Aktivismus?

Und wenn ja, was für eine Form?”

“Eine friedliche, also mein Pinsel ist mein Schwert.

Wir haben einfach die Möglichkeit, in jede Richtung zu denken, können es halt bebildern, das ist eine Urkraft.”

Helge erklärt seine Kunst folgendermaßen:

“Wenn ich mich vor 30 Jahren auf den Weg begeben habe und mich für die Architektur der Natur interessiert habe, und was kann der Mensch daraus lernen, indem er sich eben selbst, wie Alexander von Humboldt schon damals vor 250 Jahren betont hat, sich als Teil der Natur und nicht als Herrscher über sie empfunden hat, entdeckt, und sich dann intensiv mit der Welt der Bäume auseinandersetzt, dann bin ich also hier genau richtig gelandet, wie auch in den anderen Hotspots der Klimabewegung, wo es immer darum geht, dieses Bewusstsein in den Fokus zu nehmen.

Ja, und so entstehen dann Jahr um Jahr Gemälde, die das als Zeitzeugnis dokumentieren, aber auch als eigenständige Kunstwerke, weil man versucht, eben Dinge, die unsäglich sind, auch in Ausdrucksformen da rein zu flechten.”

“Finde ich auch sehr beeindruckend anzusehen, sehr schön gemalt.”

“Die Bilder finden Anerkennung, die Köpfe öffnen sich, die Menschen in dem Moment, wenn sie etwas schön finden, sind sie bereit für andere Gedanken, die sie vielleicht nicht selbst im Kopf haben auch.

Aber wenn man eben jemanden wertschätzt oder etwas wertschätzt, dann ist ein Grundinteresse da, daraus wächst die Möglichkeit, auch andere Gedanken mal wachsen zu lassen.”

Neben der Malerei kommt in der Besetzung auch die Musik nicht zu kurz.

Im zentralen Plenumsbereich stehen sogar ein Schlagzeug und ein Klavier, natürlich unter einem Holzdach.

Und wenn die Aktivist*innen mal Pause machen, werden die Instrumente auch rege genutzt.

*Musik* *Musik* *Musik* 

An der Mahnwache, an der es Strom und Musikboxen gibt, geht es elektronischer zu.

Hier lassen einige den Tag ausklingen und ich habe mich dort noch mit Wange unterhalten.

Vorab muss ich mich für die Hintergrundgeräusche entschuldigen.

Noch gab es keine Verkehrswende, die Autos abgeschafft hätte.

Wange hat mir noch einmal erklärt, was für ihn das Besondere an der Besetzung als Aktionsform ist.

“Für mich ist es eben so, dass auch sehr viel hier entdeckt wird, für was wir stehen.

Und das Schöne hier, finde ich, eben zu sehen, was entstehen kann.

Also das, worauf mein Aktivismus aufbaut, dass ich ein schöneres Leben vor Augen habe oder ein schöneres System vor Augen habe, als das, in dem wir momentan leben.

Und dass, das mein Antrieb ist.

Und ich glaube, dass das total wichtig ist, zu kommunizieren.

Weil es eben vor allem, glaube ich, rüberkommt in den Medien und in der Gesellschaft, als dass wir eben gegen etwas sind.

Ich finde es schöner, kein Auto zu fahren, weil dann einfach auch wir die ganzen Straßen nicht mehr haben und wir dann die Städte schöner machen können.

Und um Orte der Begegnung zu schaffen, zum Beispiel, wo es dann eine gerechtere Welt ist.

Es geht nicht nur darum, mit allen Mitteln das zu stoppen, den Klimawandel, sondern es geht darum, das zu transformieren und die Chancen auch darin zu sehen, um mit etwas Schönerem rauszukommen.

Und dass es auch Hoffnung sein kann.

Es entstehen ja schon neue Gedanken, die dann gelebt werden können.”

Als ganz konkretes Beispiel nennt er geschlechtersensible Sprache.

Auch ich versuche, diese hier im Podcast zu verwenden.

Spreche also von Aktivist*innen mit Knacklaut, um Menschen unterschiedlicher Geschlechter einzubeziehen.

In der normalen Gesellschaft lehnen das immer noch viele Menschen ab.

In Bayern gibt es inzwischen sogar das sogenannte Genderverbot.

“Und dann bin ich in eine Besetzung gekommen und dort haben alle Menschen einfach gegendert.

Und dadurch war es auch viel einfacher, da reinzukommen und selber zu gendern.

Also da habe ich gemerkt, dass wenn das Umfeld das einfach konsequent macht, dann ist es auch kein so großes Hindernis mehr, das selber zu machen, weil es eigentlich nicht schwer ist.

Es ist eben nur schwer, wenn du die einzige Person bist, die es macht.

Ich fände es einfach sehr schön, wie einfach es sein kann.”

Meine Frage, ob damit auch eine größere Offenheit für Queere, zum Beispiel Non-Binäre oder Trans-Personen, einhergeht, bejaht Wange.

Aber er blickt auch selbstkritisch auf die Bewegung.

“Ich glaube, das liegt auch an den Menschen, die am häufigsten vertreten sind auf Besetzungen.

Also dass es auch eben sehr relativ privilegierte, junge, akademische Menschen sind, wo es einfach sehr viele Vorbilder in dem Thema gibt.

Ich glaube, das ist nicht nur eine Errungenschaft von Besetzungen oder der Klimabewegung.

Ich glaube, dafür gibt es viele andere Punkte, bei denen die Bewegung noch sehr hadert, wo es noch sehr schwierig läuft oder noch nicht so gut läuft.”

“Meinst du jetzt zum Beispiel das ganze Rassismus-Thema?

Kannst du ein Beispiel davon nennen, was du gerade im Kopf hast?”

“Ja, ich glaube, Rassismuskritik ist der bekannteste Punkt, was immer wieder schwierig ist in Klimabewegungen, aber auch Klassismus.

Ja, einfach, dass teilweise eine akademische Sprache verwendet wird, die nicht gut verständlich ist.

Hier haben wir auch in dem Camp oft das Problem, ob wir Englisch oder Deutsch verwenden und dass es in beiden Sprachen Menschen gibt, die sich unwohl fühlen.

Ja, es gibt viele Punkte, glaube ich, an denen die Bewegung auch noch sehr in Arbeit ist und wo es viel aufzuarbeiten gibt.”

“Und worin ist die Bewegung besonders gut?”

“Ich glaube, was halt hier dazu führt, dass es so ein schöner Zusammenhalt ist, ist eben ein gemeinsames Ziel.

Und ich glaube, dass ich das immer wieder auch in der Gesellschaft entdecke, dass wenn es ein gemeinschaftliches Ziel oder einen gemeinsamen Gegner gibt, dass es dann einen hohen Zusammenhalt gibt.

Worüber ich oft nachdenke, ist das in dem Kapitalismus, in dem wir momentan leben, ich das Gefühl habe, dass sehr viele Menschen gegeneinander arbeiten.

Also ich weiß nicht, zum Beispiel, wenn Menschen davon leben, zu traden, ist es ja so, dass die davon leben, dass viele Sachen für alle Menschen teurer werden.

Also sowas ist ja zum Beispiel total absurd für mich.

Ja, genau, dass es einfach viele Strukturen gibt, die halt zum Beispiel einen großen Druck erzeugen.

Dann gibt es wieder Menschen, die nur ihr Leben damit verbringen, zum Beispiel Burnouts zu behandeln oder psychische Probleme zu behandeln.

Also ich habe das Gefühl, es gibt so viele Bereiche in unserer Gesellschaft, wo Prozesse gegeneinander laufen und wenn alle Energie gebündelt würde, dann müsste jede Person nur noch ein paar Stunden am Tag arbeiten.

Wenn wir alle zusammenarbeiten würden und nicht so gegeneinander.

Also ich glaube, dass der Kapitalismus einfach dafür ausgelegt ist, dass sowas passiert.”

Nun wollte ich auch von Wange wissen, wie es sich für ihn anfühlt, dass die Besetzung vielleicht irgendwann vorbei sein wird und wie es für ihn dann weitergeht.

Er sagte, dass eine Räumung für alle, die die Besetzung verteidigen, eine enorme psychische Belastung darstellt.

Die meisten kommen anschließend erstmal in Gewahrsam.

Oft kommt es zur Polizeigewalt.

Zurück in die Gesellschaft und in seine Wohnung zu gehen, sei für ihn persönlich aber nicht so schlimm, da er auch dort recht minimalistisch lebe und mit wenig Geld und Arbeit auskomme.

“Ich glaube, deswegen ist der Bruch bei mir nicht ganz so groß wie bei anderen vielleicht.

Aber ich kann mir vor allem vorstellen, danach in die Lohnarbeit zu gehen oder einfach in eine Anstellung zu gehen, dass das ein ziemlicher Bruch sein kann.

Und auch andersrum, dass es natürlich sehr schwierig ist, aus so einem System erstmal rauszukommen, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, aktivistisch zu sein.

Das ist auf jeden Fall auch ein klassistisches Thema und rassistisches Thema, weil das alles zusammenhängt.”

Es gibt also doch noch einiges zu tun, um Besetzungen zugänglicher zu machen.

Kapitalismus abschaffen zum Beispiel.

“Ich glaube, dass ich mich sehr darauf konzentriere, dass es einfach schön ist, dass es überhaupt alternative Gesellschaftsentwürfe gibt und dass es hier so gelebt wird.

Und dass ich das ja auch mitnehmen kann und dass es ja auch immer wieder Projekte gibt.

Und dass ja nicht alles verloren geht, vor allem nicht im Kopf und nicht die Verbindungen unter Menschen.

Von diesen Verbindungen, den Menschen und der Gemeinschaft, habe ich einiges mitgenommen in den Tagen, in denen ich mit in der Besetzung gelebt habe.

Was ist das nun für eine Aktionsform?

Einerseits stellen sich die Aktivist*innen mit ihren Körpern und den Strukturen, die sie geschaffen haben, der Ausbeutung von Natur und Menschen entgegen.

Andererseits erschaffen sie durch ihr Zusammenleben eine anarchistische Parallelgesellschaft, in der basisdemokratisch Entscheidungen getroffen werden und in der man versucht, den Staat, Kapitalismus und Patriarchat so gut es geht zu entziehen.

Ohne sich allerdings von der Welt abzuschotten.

Dafür ist die Zusammenarbeit mit Bürger*innen und Arbeiter*innen zu wichtig.

Angestrebt wird ein umfassender gesellschaftlicher Wandel.

Und solange der noch Utopie ist, fängt man im Kleinen einfach schon mal an.

Das hier war die erste Folge von "In Bewegung", ein Podcast von mir, Louisa Theresa Braun, und vom Online-Magazin "Neue Zukunft".

Jingle und technischer Support von Christopher Stenger.

Ich würde mich freuen, wenn ihr den Podcast bewertet oder weiterempfehlt.

Und wenn ihr mehr über die Klimagerechtigkeitsbewegung erfahren wollt, dann schaut doch mal auf der Website der "Neuen Zukunft" vorbei oder folgt "Neue Zukunft Info" auf Instagram.

Bis bald!